Der Sauenhammer im Urwald
Autor: Tim Strohmeier (Berufsjäger und Outfitter bei Westfalia Jagdreisen)
Veröffentlicht: 03.November 2020
Vor Beginn meiner Reise nach Weißrussland habe ich überlegt, ob ich den Sauenhammer von meiner Sauer entferne. Schließlich reise ich zur Hirschjagd und nicht zur Drückjagd an. Doch nach einer kurzen Überlegung entschloss ich mich dazu den Hammer an meiner Waffe montiert zu lassen -Schaden kann er ja nicht! Das der Sauenhammer mir derart wichtig wird, hatte ich zu diesem Zeitpunkt nicht geahnt.
Nach ereignisreichen Tagen im weißrussischen Belowescher Urwald war es endlich für mich an der Reihe einem reifen Rothirsch in diesem tollen Biotop nachzustellen. Meine Jagdfreunde hatten bereits kräftiges Waidmannsheil und nun galt der nächste Pirschgang ganz mir. Früh morgens fuhren wir zu einem bekannten Brunftplatz, an dem wir 2 Tage vorher einen beeindruckenden Hirsch bestätigen konnten. Im Dunkeln schlichen wir uns durch eine Schneise zur großen Wiese und lauschten in den Morgen. Ein Geräusch war zu vernehmen – aber das sind doch keine Hirsche? Wie Sirenen schallte uns eine Geräuschkulisse vom Urwald entgegen. „Wölfe!“ flüsterte Oleg. „Na klasse...“ dachte ich mir. Zwar sind Wölfe immer ein tolles Erlebnis, aber für eine Hirschjagd eher hinderlich, denn wenn Wölfe rufen verstummen die Brunfthirsche.
Nach einigen Minuten und dem ersten Licht verschwanden jedoch die Grauhunde und die ersten Hirsche fingen an zu melden. Von jeder Ecke der großen Wiesen vernahmen wir neue Stimmen. Doch dann folgte die nächste Enttäuschung: Nebel! Die Sicht betrug weniger als 20 Meter und wir konnten lediglich die Hirsche akustisch vernehmen. Uns blieb nichts anderes übrig als zu warten bis der Nebel sich legte und wir die Hirsche ansprechen konnten. Es wurde immer später und der Nebel verzog sich nur langsam. Inmitten des Brunftplatzes erklang eine besonders tiefe Stimme. Wir wollten keine Zeit verlieren und mein Berufsjäger Oleg und ich entschlossen uns dazu den Hirsch direkt anzugehen. Wir pirschten los und der Nebel wurde lichter. Jetzt erkannten wir, dass das Rudel mit ca. 30 Stücken Kahlwild bereits Richtung Wald zog und in den Tageseinstand wechselte. Das Schlusslicht des Rudels bildete unser Hirsch. Ein riesiger Platzhirsch mit einem Geweih, wie ich es noch selten gesehen habe. Sofort richtete Oleg den Schießstock und bevor der Hirsch im Wald verschwand konnte ich einen Schuss antragen.
Am Anschuss plagten mich die üblichen Fragen, wenn das Wild nicht am Anschuss liegt: „Bin ich gut abgekommen?“, „Schießt meine Waffe 100%?“, „Hat der Hirsch wie erwartet gezeichnet?“. Überlegungen halfen uns nicht weiter, sondern Tatsachen mussten geschaffen werden. Also ging es vom Anschuss in Richtung der Stelle an welcher der Hirsch in den Urwald gewechselt ist. Jetzt machte ich mir nur noch wenig Hoffnung, denn der Urwald war dicht und sehr unübersichtlich, nur ein paar Tropfen Schweiß hielten meine Hoffnungen aufrecht.
Nach ein paar hundert Metern verlor sich die Schweißfährte und Oleg entschloss sich dazu in die Richtung zu gehen in welcher der Hirsch gezogen ist.
Plötzlich eine Bewegung vor uns. „Hirsch! Strelyay!“ – rief mir Oleg zu. Ich konnte im Dickicht nicht sehen und hörte nur wie ein schweres Stück Wild vor mir Absprang. Mein Inuition sagte mir: „Jetzt oder Nie!“. Ich nahm die Waffe vom Rücken und sprintete los. Bestimmt 200-300 Meter Sprint durch den Urwald immer hinter dem Stück her. Dann durch eine Fichtenverjüngung und es wurde etwas lichter. Sofort erkannte ich: Das ist mein Hirsch!
Völlig außer Atem blieb ich stehen und nahm die Waffe hoch. Intuitiv griff meine Hand durch den Sauenhammer und fixierte meine Waffe in meiner Schulter. Zwar war ich aus der Puste aber durch die Kraft aus meinen Armen konnte ich die Waffe ruhig halten und mitziehen. Eine kleine Schneise bot mir um den flüchtigen Hirsch eine Kugel anzutragen. Die .300 Win. Mag. hallte durch den Urwald und der Rothirsch wurde an seinem Platz gebannt. Da lag er nun vor mir, der König des Urwaldes zu Fall gebracht mit Hilfe des ‘Sauenhammer’ oder in diesem Fall wohl eher mit dem „Hirschhammer“.